„Einige Lehrer tun sich schwer“

Dem Handwerk fehlt Nachwuchs. Wo funktioniert die Berufsorientierung noch nicht so ganz und wie finden Betriebe und Lehrlinge auch während der Pandemie zueinander? Die Deutsche Handwerks Zeitung sprach mit Ausbildungsberater Heiko Fengler.

Karikatur Studienberatung in der Schule
Karikatur: Marius Mezger/www.marius-mezger.de

Herr Fengler, einen passenden Lehrling zu finden ist für die Betriebe schon vor der Pandemie nicht leicht gewesen. Wie sieht es jetzt aus?

Auch wenn die Zahlen der bei uns eingetragenen Ausbildungsverhältnisse  zum 31.12.2020 fast die gleiche Größenordnung wie im Jahr 2019 erreichten, war es dennoch ein kompliziertes Jahr für die mittelfristige Nachwuchsgewinnung. Zwar haben jetzt bis auf wenige Ausnahmen, wie z.B. Frisör- und Kosmetikbetriebe, die Mehrzahl der Betriebe die Ausbildung planmäßig beginnen können, aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir mit der Berufswerbung ja nicht nur die Abschlussklassen ansprechen, sondern vor allen auch die Schüler der achten und neunten Klassen, die ihre Wege noch suchen. 2021 könnte also noch komplizierter werden.

Gab es 2020 generell weniger Möglichkeiten, sich über Ausbildungsberufe zu informieren?

Die in der Vergangenheit durchgeführten Maßnahmen zur Berufsorientierung wurden coronabedingt kaum beziehungsweise gar nicht umgesetzt. Die regionale Berufsmesse „Chance“ konnte zwar im Januar 2020 noch stattfinden, kleinere Veranstaltungen in den Landkreisen und in Schulen fielen dagegen ersatzlos aus. Im Rahmen von Einzelberatungen zur Berufsorientierung standen die Ausbildungsberater den Jugendlichen zur Verfügung. Leider fanden diese Angebote kaum Resonanz.

Werden Gymnasiasten von Seiten der Lehrer vorrangig in Richtung Studium gelenkt? 

Seit ca. drei Jahren sind die Gymnasien aufgefordert, nicht nur einseitig Studienorientierung, sondern Studien-und Berufsorientierung umzusetzen. Damit tun sich nach unserer Erfahrung einige Lehrer schwer. Die Ausbildungsberatung bietet auch in den Gymnasien Berufsorientierung an. Dies ist ein Prozess, der uns noch einige Zeit begleiten wird. Generell kann man aber feststellen, dass sich die Gymnasien durch bildungspolitische Entscheidungen des Kultusministeriums geöffnet haben.

Welche Möglichkeiten haben Schüler, um potenzielle Arbeitgeber kennenzulernen?

Wir gehen davon aus, dass die „Chance“-Messe in diesem Jahr zum Ersatztermin im April stattfindet. Darüber hinaus hoffen wir auf eine gewisse Normalität in der Berufsorientierung und darauf, dass wir wieder vor Ort beraten können. Das vom Land Sachsen-Anhalt geförderte Projekt „Prämie fürs Praktikum“ wird gut angenommen. Ziel ist es dabei, einen praxisnahen Einblick in Berufe zu bekommen und gleichzeitig einen kleinen Obolus als Ausgleich für Fahrt- und Verpflegungskosten in Höhe von 120 € pro Woche zu erhalten. Dies ist ein gutes Instrument zu ersten Kontaktaufnahme mit eventuellen künftigen Auszubildenden.

„Digital“ lautet das neue Zauberwort. Was ist in puncto Berufsorientierung im Internet alles möglich?

Das Zugpferd der digitalen  Berufsorientierung ist aktuell ein gemeinsames Projekt mit der IHK: der Instagram-Account @team.azubi. Hier werden regelmäßig Berufe von Lehrlingen, die sich aktiv im Ausbildungsprozess befinden, per Video dargestellt und beschrieben. Weiterhin informiert die Website „handwerk.de“  zur Berufsausbildung im Handwerk. Insbesondere der „Berufechecker“ bietet dort die Möglichkeit, anhand der Interessen und Neigungen von Jugendlichen entsprechende Berufsvorschläge zu ermitteln. Natürlich werden über die Agenturen für Arbeit auch Berufsorientierungsangebote in digitaler Form angeboten, z.B. die Datenbank Berufenet.

Interview: Yvonne Bachmann, Handwerkskammer Halle


Schwerpunktausgabe der DHZ zur Ausbildung