Gewerberaum-Mietverträge in Coronazeiten: Mietreduzierung möglich?

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Paragrafen. Bild: pixabay.

Viele Geschäftsraummieter sind von coronabedingten Einschränkungen, manche Branchen sogar vom Lockdown betroffen, und werden von ihren Vermietern trotzdem zur vollen Zahlung der Miete verpflichtet, obwohl die Nutzung des Mietobjektes erheblich eingeschränkt ist. Der Bundesgesetzgeber hat sich dieses Problems angenommen und für alle Gewerberaummieter folgende Lösung geschaffen: Seit 1. Januar 2021 gilt die neue Regelung des Artikels 240 § 7 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB):

„Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.“ Auf Pachtverträge ist diese Bestimmung entsprechend anzuwenden.

Die neue Regelung sagt zwar nicht, dass der betroffene Mieter automatisch keine oder keine volle Miete mehr bezahlen muss. Zweck dieser Regelung ist jedoch, die Verhandlungsposition des Mieters zu verbessern und zugleich die Verhandlungsbereitschaft der Vertragsparteien zu fördern, um die Lasten der Covid-19-Pandemie auf Vermieter und Mieter gleichermaßen zu verteilen.

Dies stützt sich auf die gesetzliche Vermutung, dass sich ein Umstand, welcher gem. § 313 Absatz 1 BGB zur Grundlage des Miet- oder Pachtvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat, wenn eine staatliche Maßnahme zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie die Verwendbarkeit des Betriebs des Mieters einschränkt oder gar aufhebt. Typische Beispiele solcher staatlichen Maßnahmen sind Schließungsverfügungen durch das Gesundheitsamt oder – per Pandemie-Eindämmungsverordnung – durch den Gesetzgeber.

Voraussetzung

Die Anwendung des § 313 Abs. 1 BGB setzt allerdings voraus, dass auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Zum einen müssen sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, erst nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben, so dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt eingegangen wären, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten; zum anderen kann Anpassung des Vertrags erst verlangt werden, wenn und soweit dem Mieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Im Streitfall ist Vorliegen dieser Voraussetzungen durch den Mieter bzw. Pächter unter Beweis zu stellen.

Ausblick

Ob die neue gesetzliche Regelung die an sie gestellten Erwartungen auf Seiten der Gewerberaummieter erfüllen kann bleibt abzuwarten. Die Rechtsprechung, die bereits im Zusammenhang mit dem ersten Lockdown herausgearbeitet wurde, gibt zumindest Anlass für vorsichtigen Optimismus. So haben die Gerichte Ansprüche der Mieter auf Mietreduzierung zwar überwiegend abgelehnt, und zwar nicht weil § 7 des Art. 240 EGBGB nicht anwendbar sei, sondern aus Gründen der vertraglichen Risikozuweisung oder der fehlenden Unzumutbarkeit (LG München I, 31 O 7743/20, LG München II, 1 O 2773/20, LG Stuttgart, 11 O 215/20, LG Heidelberg, 6 O 66/20, LG Zweibrücken, HK O 17/20, LG Frankfurt, 2-15 O 23/20).

Jedoch hat aber – als erstes Obergericht – das Oberlandesgericht Dresden mit Urteil vom 24.02.2021 (Az. 5 U 1782/20) entschieden, dass der von der staatlichen Schließungsanordnung betroffenen Ladenbesitzerin eines Textileinzelhandelsgeschäfts eine Anpassung der Kaltmiete während des Lockdowns auf 50% zugestanden wird. Wegen der Corona-Schutzmaßnahme musste das Geschäft geschlossen bleiben. Die Ladenbesitzerin zahlte daher überhaupt keine Miete. Während das LG Chemnitz die Mieterin noch zur vollen Mietzahlung verurteilte, entschied das OLG, dass der Mietvertrag aufgrund der Störung der Geschäftsgrundlage anzupassen sei. Da keine der beiden Mietvertragsparteien eine Ursache gesetzt oder dies vorausgesehen hat, sei eine Reduzierung der Kaltmiete um 50% angemessen, so dass beide Parteien zu gleichen Teilen belastet werden.


Dipl.-Jurist Andreas Dolge
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