„Gute Ausbildung steht und fällt mit dem Personal“

Das Bildungs- und Technologiezentrum (BTZ) der Handwerkskammer Halle hat einen neuen Leiter. Der 37-jährige Alexander Hermanns hat seit Anfang Mai den Posten inne.

Alexander Hermanns in der Kfz-Werkstatt vor einer Hebebühne
Alexander Hermanns in einer Kfz-Werkstatt des BTZ. Foto: Handwerkskammer Halle

Viel Zeit zum „Ankommen“ hatte Alexander Hermanns nicht, denn in seinen ersten Wochen standen bereits wichtige Entscheidungen an. Corona-Krise, Fachkräftemangel und der Umbau des BTZ zum „Campus Handwerk“ sind die großen Herausforderungen, die es für den neuen Chef des BTZ zu meistern gilt. Der studierte Politik- und Rechtswissenschaftler will sich ihnen stellen.

Wie haben Sie die ersten Wochen an ihrem neuen Arbeitsplatz erlebt?

Die ersten Wochen gingen schon sehr Turbulent zu. Neben den Herausforderungen, die die Corona-Krise mit sich brachte, standen gleich einige Personalentscheidungen an. Ich haben Ausbilder und Mitarbeiter kennengelernt. Jetzt fange ich an, den Bereich Vertrieb und Marketing zu strukturieren, denn wir wollen im BTZ die Fort- und Weiterbildung stärken. Nun heißt es systematisch auszuloten: Was sind die Bedarfe der einzelnen Betriebe in den Gewerken, welche Technik und welches personelle Know-how steht uns dafür zur Verfügung und  was müssen wir möglicherweise einkaufen. Dazu zählt auch, die Seminare zu bewerben und gegebenenfalls neue Lehrgänge zu konzipieren. Natürlich lassen sich diese Vorhaben nur mit passendem Personal umsetzen. Derzeit suchen wir deswegen noch freiberufliche Dozenten für die verschiedenen Gewerke.

In den vergangenen Wochen gab es einige Stellenanzeigen aus dem BTZ. Können Sie uns dazu etwas sagen?

Das ist derzeit für uns ein großes Thema. Prinzipiell steht und fällt gute Ausbildung mit dem Personal. Es ist kein Geheimnis, dass viele, die jetzt als Ausbilder arbeiten, in den kommenden Jahren in Rente gehen. Geeignetes Personal zu finden, ist deswegen eine Aufgabe, die uns die nächsten Monate und Jahre beschäftigen wird. Die Personalsuche ist sehr mühselig. Das spiegelt auch die aktuelle Situation im Handwerk wider, Fachkräfte zu finden. Wir konnten jedoch einige Stellen in der Ausbildung erfolgreich besetzen. Das betrifft beispielsweise den Bereich Haustechnik Sanitär. Derzeit suchen wir noch Ausbilder und Dozenten für diverse Gewerke, beispielsweise im Elektro-, Bau- und kaufmännischen Bereich.

Sie haben Ihre neue Stelle in einer Ausnahmesituation übernommen. Das BTZ war wegen der Kontaktbeschränkungen einige Wochen geschlossen. Läuft der Ausbildungsbetrieb wieder?

Ja, seit dem 4. Mai konnten wir das BTZ wieder öffnen. Dafür haben wir ein Hygienekonzept erarbeitet, sodass nun die ÜLUs und Meistervorbereitungslehrgänge unter den Auflagen fortgeführt werden können. Das heißt für alle: den gegebenen Mindestabstand einhalten, auf Händedesinfektion achten und gegebenenfalls Mundschutz tragen. Ausbilder wurden belehrt, Geräte und Flächen, die benutzt werden, entsprechend zu reinigen.

Prüfungstermine können also eingehalten werden?

Die Stunden, die durch Corona weggefallen sind, werden derzeit nachgeholt. Die Termine bleiben bestehen. Sowohl die angehenden Gesellen als auch die angehenden Meister können gut vorbereitet in die Prüfungen gehen.

Coronavirus
Wirbelte die Planung der Lehrgänge und Prüfungen durcheinander: Corona-Pandemie und Lockdown im März

Gibt es schon jetzt Auswirkungen durch Corona auf die Ausbildung?

Bisher hat die Krise im Handwerk noch nicht wirtschaftlich eingeschlagen. Die Auftragsbücher sind nach wie vor so voll wie im vergangenen Jahren. Wir rechnen allerdings damit, dass sich die tatsächlichen wirtschaftlichen Folgen erst ab Spätsommer beziehungsweise Herbst zeigen werden. In diesem Zusammenhang gehen wir auch von weniger Lehrlingen im kommenden Ausbildungsjahr aus. Dafür liegen uns allerdings erst im Herbst die genauen Zahlen vor.

Welche Gewerke wird das betreffen?

Im Kfz-Bereich herrscht derzeit eine große Unsicherheit. Das hängt nicht nur mit der Corona-Krise zusammen, sondern auch mit dem Wandel hin zur Elektromobilität und dem Dieselskandal. In anderen Berufen werden wir allerdings weniger Zurückhaltung erleben, etwa in den Bau- und Ausbaugewerken. Diese müssen und werden den Fachkräftebedarf weiterhin decken.

Kennen Sie die Aus- und Weiterbildung im Handwerk aus ihrer früheren beruflichen Laufbahn?

Bevor ich die Stelle als Leiter des BTZ‘ angetreten habe, war ich für die SBH Südost – Stiftung Bildung und Handwerk tätig. Erst als Standortleiter und später als Qualitätsmanagement- und Datenschutzbeauftragter. Die SBH ist stark gewerblich ausgerichtet und bietet berufliche Weiterbildung nach SGB II und SGB III.

Mit dem Förderprojekt Campus Handwerk steht eine große Herausforderung für Sie an. Wie ist der Stand und welche Prägung möchten Sie dem BTZ damit geben?

Die Vorplanungen sind nahezu abgeschlossen. Derzeit wird die Ausstattung der einzelnen Ausbildungsbereiche festgelegt, die in den Plänen entsprechend platziert werden. Das geschieht in enger Absprache mit den Fachbereichsleitern. Mit Blick auf die Finanzierung wurde natürlich  auch geschaut, wo Kosten eingespart werden können. Die Zeitschiene kann bisher eingehalten werden, sodass es voraussichtlich ab dem Sommer 2021 zu ersten Abrissarbeiten kommen kann. Der Bildungsbereich wandelt sich derzeit enorm. Die Stichworte heißen Digitalisierung und zurückgehende Ausbildungszahlen: Wir müssen uns noch stärken den Bedürfnissen der Betriebe anpassen. Dazu zählt auch, dass wir mit neuen Produkten, neue Geschäftsfelder erschließen müssen.

Eine Frage zum Schluss des Interviews: Hätten Sie nach ihrem Abitur einen Handwerksberuf gewählt. Was wären Sie geworden?

Ich hätte mich für den Bereich  Elektrotechnik entschieden. Dieses Berufsfeld bildet eine schöne Kombination aus den handwerklichen Fähigkeiten und den IT-technischen Aspekten. Sie gewinnen in einer zunehmend vernetzten und digitalisierten Wirtschafts- und Arbeitswelt immer mehr an Bedeutung.

Interview: Lisa Kühne / Handwerkskammer Halle