Recht Lohngleichheit bei Teilzeitbeschäftigung

Geringfügig Beschäftigte dürfen im Vergleich zu Vollzeitkräften nicht deshalb schlechter entlohnt werden, weil ihre Einsatzplanung einen Mehraufwand bedeutet.

Justizia
Viktor Hanacek/picjumbo

Geringfügig Beschäftigte, die in Bezug auf den Umfang und die Lage ihrer Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen, jedoch Arbeitszeitwünsche anmelden können, denen dieser allerdings nicht nachkommen muss, dürfen bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit nicht schlechter entlohnt werden als Vollzeitbeschäftigte, die durch den Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden. Eine ungleiche Entlohnung verstößt in diesen Fällen gegen den Gleichheitsgrundsatz des § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 18. Januar 2023 (Az.: 5 AZR 108/22) feststellte. Gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG dürfen Teilzeitkräfte – und dazu gehören auch geringfügig Beschäftigte – wegen der Teilzeitbeschäftigung nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Etwas anderes gilt nur, wenn ein sachlicher Grund vorliegt, der eine Ungleichbehandlung rechtfertigt.

Sachverhalt

Der Kläger ist als Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten tätig. Diese führt im Auftrag eines Rettungszweckverbandes u. a. Notfallrettung und Krankentransporte durch. Die Beklagte setzte Rettungsassistenten sowohl in Vollzeit als auch in Teilzeit ein, die sie als „Hauptamtliche“ mit einem Stundenlohn von 17 Euro brutto in verbindliche Dienste einteilte. Daneben beschäftigt sie „nebenamtliche“ Rettungsassistenten mit einer Stundenvergütung von 12 Euro brutto, die frei hinsichtlich der Lage und des Umfangs ihrer Arbeitszeit waren und sich die Einsatzzeiten frei aussuchen konnten. Ein Anspruch auf die Wunschtermine besteht allerdings nicht.

Der Kläger erhob Klage auf Differenzlohn und machte geltend, die unterschiedliche Stundenvergütung im Vergleich zu den hauptamtlichen Mitarbeitern stelle eine Benachteiligung wegen seiner Teilzeittätigkeit dar. Die Beklagte hielt die Vergütungsdifferenz dagegen für sachlich gerechtfertigt, weil sie mit den hauptamtlichen Rettungsassistenten größere Planungssicherheit und weniger Planungsaufwand habe. Diese erhielten zudem eine höhere Stundenvergütung, weil sie sich auf Weisung zu bestimmten Diensten einfinden müssten.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht hingegen verurteilte die Beklagte zur Zahlung des Differenzlohns. Gegen das stattgebende Urteil des Landesarbeitsgerichts ging die Beklagte in Revision vor das BAG.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Nach den Feststellungen der Bundesarbeitsrichter hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt, dass der Kläger durch die im Vergleich zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten geringere Stundenvergütung entgegen § 4 Abs. 1 TzBfG benachteiligt wurde, ohne dass dafür ein sachlicher Grund vorlag. Vorliegend seien die haupt- und nebenamtlichen Rettungsassistenten gleich qualifiziert gewesen und hätten zudem gleiche Tätigkeiten ausgeübt. Der von der Beklagten pauschal behauptete erhöhte Planungsaufwand bei der Einsatzplanung der nebenamtlichen Rettungsassistenten stelle keinen Sachgrund dar, der eine Ungleichbehandlung rechtfertige. Selbst wenn man unterstelle, dass die Beklagte durch den Einsatz der hauptamtlichen Rettungsassistenten mehr Planungssicherheit habe, weil sie diesen einseitig Arbeitsschichten zuweisen kann, sei sie dabei jedoch nicht frei. Begrenzungen erfahre ihr Weisungsrecht durch die Grenzen des u. a. Arbeitszeitgesetzes in Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit und die Einhaltung der Ruhepausen. Die nebenamtlichen Rettungsassistenten bildeten insoweit ihre Einsatzreserve. Dass diese frei in der Gestaltung der Arbeitszeit waren, sei irrelevant, da diese Personengruppe keinen Anspruch auf Zuweisung von Lage oder zeitlichen Umfang der gewünschten Dienste hatte. Der Umstand, dass die hauptamtlichen Arbeitnehmer auf arbeitgeberseitige Weisung zu bestimmten Dienstzeiten erscheinen mussten, rechtfertigt in der gebotenen Gesamtschau keine höhere Stundenvergütung gegenüber einem Arbeitnehmer, der frei sei, Dienste anzunehmen oder abzulehnen.

Bewertung & Folgen des Urteils

Das BAG-Urteil stellt klar, dass auch weiterhin eine differenzierte Vergütung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten möglich ist, sofern ein Sachgrund vorliegt, der eine ungleiche Behandlung rechtfertigt. Es verdeutlicht aber auch, dass selbst in der Nutzung eines auf den ersten Blick neutralen Arbeitszeitmodells eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von Teilzeitkräften liegen kann. So knüpften die Bundesarbeitsrichter die festgestellte Ungleichbehandlung nicht unmittelbar an die Eigenschaft der Beschäftigten als Teilzeit- bzw. Vollzeitkraft an und damit nicht direkt an die Arbeitszeit der Beschäftigten als Unterscheidungskriterium. Vielmehr resultierte die ungleiche Behandlung hier aus dem betrieblichen Arbeitszeitmodell der Beklagten, welches es dem Kläger bei einem vergleichsweise niedrigeren Stundenlohn erlaubte, seine Dienste frei einzutragen. Diese freie Diensteinteilung gewährte die Beklagte ausschließlich den geringfügig Beschäftigten, während sie die haupt-amtlich Tätigen in einen festen Dienstplan einteilte. Mit diesem Modell knüpfte die Beklagte die Ungleichbehandlung letztlich jedenfalls mittelbar an den Aspekt des jeweiligen Arbeitszeitvolumens der Beschäftigten an, ohne dies sachlich rechtfertigen zu können.