Rechtsnews Urteile zu Urlaubsansprüchen

Urlaubsansprüche verfallen nicht mehr, wenn der Beschäftigte den Urlaub nicht beantragt hat.

Gebäude des Bundesarbeitsgerichtes in Erfurt
Bundesarbeitsgericht

Urlaubsansprüche verfallen nicht mehr, wenn der Beschäftigte den Urlaub nicht beantragt hat.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in drei Urteilen entschieden, dass

1. der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub zwar grundsätzlich der gesetzlichen Verjährung unterliegt. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in welchem der Beschäftigte über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Beschäftigte den Urlaub auf eigenen Wunsch nicht genommen hat (BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az. 9 AZR 266/20);

2. der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Urlaubsjahr, in dem ein Beschäftigter tatsächlich gearbeitet hat, bevor er aus gesundheitlichen Gründen den Urlaub nicht mehr nehmen konnte, nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten erlischt, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten „rechtzeitig in die Lage versetzt“ hat, den Urlaub in Anspruch zu nehmen (BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az. 9 AZR 245/19).

3. bei finanziellen Abgeltungsansprüchen für nicht genommenen Urlaub nach Ende eines Arbeitsverhältnisses auch weiterhin eine Verjährungsfrist von drei Jahren gilt. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.
Das Gericht begründet die nur dreijährige Verjährungsfrist bei Abgeltungsansprüchen aus beendeten Arbeitsverhältnissen damit, dass es nicht um den wichtigen Erholungszweck, sondern einen „reinen Geldanspruch“ gehe, also um den finanziellen Ausgleich für nicht genommenen Urlaub. Zudem gebe es für Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses keinen Druck mehr, möglicherweise auf Urlaub zu verzichten (BAG, Urteil vom 31.01.2023, Az. 9 AZR 456/20).

Zu den Urteilen

Verjährung von Urlaubsansprüchen

Verfall von Urlaub aus gesundheitlichen Gründen

Urlaubsabgeltung – Verjährung

Dem voraus gingen zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH):

1.            Der nicht genommene Urlaub aus dem Jahr, in welchem ein Beschäftigter dauerhaft erkrankt oder voll erwerbsgemindert wird, verfällt nur dann nach 15 Monaten, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über den persönlichen Urlaubsanspruch und den drohenden Urlaubsverfall aufgeklärt hat (EuGH, C-518/20).

2.            Ist der Arbeitgeber seiner Informationspflicht gegenüber dem Beschäftigten nicht nachgekommen, kumuliert sich der Resturlaubsanspruch über die Jahre auf. Im entschiedenen Fall bedeutete dies: 93 Tage Resturlaub aus zwanzig Jahren (EuGH, C-120/21).          

Aus diesen Urteilen folgt, dass Arbeitgeber gut beraten sind,

  • stets zu Jahresbeginn und
  • unmittelbar, nachdem ein Urlaubsantrag abgelehnt wurde,

alle Beschäftigten über ihre Urlaubsansprüche nachweisbar zu belehren und zur Inanspruchnahme im laufenden Jahr aufzufordern.

Das gilt ebenso, wenn ein neuer Mitarbeiter eingestellt wurde oder er nach langer Krankheit die Arbeit wieder aufnimmt.

Was bedeuten die Urteile mit Blick auf ausgeschiedene Mitarbeiter, d. h. können diese noch nach Jahren vom (ehemaligen) Arbeitgeber verlangen, dass ihnen uralter Urlaub ausbezahlt wird, den sie damals nicht genommen haben? Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden: Ein Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt als reiner Geldanspruch einer vereinbarten Ausschlussfrist (BAG, Urteil vom 24.05.2022, Az. 9 AZR 461/21). Ein weiteres Urteil wird für Ende Januar 2023 erwartet.

Dipl.-Jurist Andreas Dolge
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